Hexenverfolgung in Mecklenburg und Schwerin

Katharina Wankelmut war ein hübsches Weib. War es nur der Name oder Neid der Frauen aus der Nachbarschaft. Wir wissen es nicht. Auf eine Anzeige hin wurde sie 1604 aus aus ihrem Haus in der Hundestraße in Schwerin geholt und beschuldigt, den Tod des noch jungen Herzogs 1592 durch Hexerei herbeigeführt zu haben.
Wir wissen natürlich, dass sich der Herzog damals selbst das Leben genommen hatte.
In ihren durch grausame Folterqualen erpressten Geständnissen gab sie zu, dass sie in Kristallen lesen könne und der Beelzebub des öfteren zu ihr käme, ja sogar noch am Morgen bei ihr war. Und dieser Unsinn wurde geglaubt. Katharina überstand die Tortur nicht und starb im Gefängnis. Aber in ihrem Geständnis hatte sie eine Anzahl von Frauen der Mitschuld angeklagt. Von diesen wurde die Hirtin Magdalene Rukitz,  die nach mehrfacher Folterung bekannte, dabei gewesen zu sein, als Hexe verbrannt.
Das protestantische Hexen001Mecklenburg zählte zu den Kernzonen der Hexenverfolgung.
Ungefähr 4000 Prozesse gegen 3700 Personen lassen sich zwischen dem ersten nachweisbaren Prozess 1336 und der letzten bekannten Anklage 1777 im einzelnen nachweisen. Bedenkt man die dünne Besiedlung des zweigeteilten Landes und die geschätzte Einwohnerzahl von zirka 200.000 Bewohnern im 16./17. Jahrhundert, hebt sich die Verfolgungsintensität krass von den eher prozessarmen Territorien in Nordeuropa ab.
Eine Ursache dafür lag in der starken rechtlichen Zergliederung des Landes. Mecklenburg stand schlechthin als Synonym für Adelsherrschaft. Die Ausformung der weit greifenden adligen Rechte in Form einer Personalunion zwischen Grund-, Leib-, Gerichts- und eventuell noch Patronatsherr fand zeitlich parallel zu den Hexenprozessen statt und mündete vor allem mit den Folgen des Dreißigjährigen Krieges in eine weitreichende Neuordnung gutsherrlicher Herrschaftskomplexe.
Die frühesten Prozesse lassen sich in den beiden großen Hansestädten Rostock und Wismar ab Ende des
15. Jahrhunderts nachweisen. Diesen auf Schadenzauber konzentrierten Prozessen fehlten noch alle Elemente des Teufelspaktes. Sie endeten mit Freilassungen oder Stadtausweisungen. Ähnlich der Gesamtentwicklung im Reich begann die große Hexenverfolgung in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts mit dem Eindringen des kumulativen Hexereikonzeptes. Jedoch erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts stieg die Zahl der Prozesse dramatisch an. Während des gesamten Verfolgungszeitraumes ragt das Jahr 1604, in dem in Mecklenburg die Pest grassierte, mit 108 Fällen weit hinaus.

Die bisherige Schätzung von ca. 1000 Hexenverbrennungen muss anhand der neuen Daten erheblich nach oben korrigiert und Mecklenburg tatsächlich zu einem der Zentren der Hexenverfolgung gerechnet werden.
Die Urteilsstruktur fiel im Vergleich allerdings noch relativ günstig für die Angeklagten aus.
Nur in Wasserprobe52 % (zirka 2000) aller Verfahren wurde ein Todesurteil ausgesprochen, dagegen wenigstens 35 % aller Angeklagten freigesprochen! In weiteren 9 % wurden willkürliche Strafen verhängt, 4 % aller Missetäter gelang die Flucht. Trotz oder vielleicht gerade wegen der relativ hohen Verfolgungsdichte blieb also die Zahl der Todesopfer im Vergleich zu anderen Territorien relativ gering.
Wesentlichen Ausschlag für die vergleichsweise milde Verfolgungspraxis gaben besonders die gelehrten Juristen um 1600. Sönke Lorenz bescheinigte vor allem der Rostocker Juristenfakultät ein weitgehendes Festhalten am
processus ordinarius, der den Angeklagten größere Möglichkeiten zur Verteidigung und Rechtfertigung einräumte. Der mäßigende Einfluss des Rostocker Juristen Johann Georg Gödelmann auf die Führung von Hexenprozessen dürfte nicht nur Ausdruck für die Gesamthaltung der Rostocker Juristenfakultät gewesen sein, sondern auch praktische Relevanz gehabt haben. Durch das Verfahren der Rechtsbelehrung war die Rostocker Juristenfakultät bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges an der überwiegenden Zahl der mecklenburgischen Hexenprozesse beteiligt. Auch wenn zu hinterfragen bleibt, inwieweit die Urteilspraxis der gelehrten Juristen den Gepflogenheiten der lokalen Gerichtsorgane entsprach, lassen sich nur in Einzelfällen massive, systematische Rechtsbrüche bei den prozessführenden Obrigkeiten ermitteln. Die Rolle der Rostocker Juristenfakultät wurde durch das Wirken der mecklenburgischen Herzöge zusätzlich unterstrichen. Sie bestanden nicht nur auf einer wirkungsvollen Durchsetzung der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. und der darauf aufbauenden mecklenburgischen Polizeiordnungen, sondern verwiesen die Fälle immer wieder an die Rostocker Universität zurück, sodass zumindestens Ansätze einer zentralisierten Oberaufsicht geschaffen wurden.

Je nach Lebensumfeld unterscheiden sich die Prozesse nicht nur hinsichtlich der sozialen Herkunft der Angeklagten, sondern auch hinsichtlich der Anklagevorwürfe und der prozessauslösenden Konfliktlagen. Verfolgungsintensive Zonen bildeten neben den größeren Städten vor allem die Ämter mit einer relativ dichten Besiedlung, einer relativ starken adligen Besetzung und der Nähe zum Verwaltungszentrum (so zum Beispiel die beiden Ämter der Residenzstädte Schwerin und Güstrow). Etwa 70 % aller Prozesse betrafen dörfliche Einwohner und wurden überwiegend vor den herzoglichen und adligen Gerichten geführt. Die Zahl entspricht in etwa dem Anteil der Landbevölkerung an der Gesamtbevölkerung.

Erst Catrina Zeleke mit der dramatischen Anklageflut im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts ging auch die Neigung der Juristen konform, weniger strenge Anforderungen an die Indizien zu stellen und die Prozessführung hin zum crimen exceptum zu verschärfen. Mit dem Beginn des
17. Jahrhunderts waren damit erstmals die Weichen zu größeren Kettenprozessen gestellt. Diese Form der Prozessführung blieb jedoch noch auf einzelne Fälle begrenzt und bildete noch nicht die Leitlinie bei der Bewertung von Hexerei. Noch vor dem Erliegen des Rechtswesens im Dreißigjährigen Krieg kam es wieder zum Absinken der Prozessforderungen ab 1615.
Aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, besonders ab dem Einsetzen der Kampfhandlungen in Mecklenburg 1627/28, sind kaum Prozesse bekannt. Um so heftiger setzten diese jedoch nach dem Friedensschluss 1648 wieder ein. In einer Reihe von Gebieten kam es innerhalb kürzester Zeit zu sich fast explosionsartig ausbreitenden Kettenprozessen. Besonders betroffen waren Ackerbürgerstädte wie Plau, Schwaan, Bützow , Grevesmühlen und Crivitz.

Der größte WarnungKettenprozeß entwickelte sich ab 1649/51 im Amt Bukow / Redentin, bei dem in der dörflich geprägten Landschaft weit über 80 Menschen angeklagt wurden. Diese Prozesswellen bildeten jedoch nur den Auftakt für einen erneuten Höhepunkt der Hexenverfolgung in den sechziger und siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts. Entscheidend hierfür dürfte die unterstützende Haltung Herzog Gustav Adolfs, Herog von Mecklenburg-Güstrow, gewesen sein. Der zutiefst lutherisch-orthodox überzeugte Herzog inszenierte ab 1659 ein straffes konfessionell-disziplinierendes Programm zur Ausrottung von Hexerei und Aberglauben.
Was Gustav Adolf in seiner sonstigen Regierungstätigkeit scheinbar nicht anstrebte, setzte er im kirchlich-relegiösen Bereich um. Die Vernichtung von Magie war nur ein Versatzstück in einem weitgespannten Vorhaben zum (Wieder)Aufbau des mecklenburgischen Kirchenwesens und der Konfessionalisierung breiter Bevölkerungsteile. Wirkungsvoll verstand er es dabei, nicht nur den herzoglichen Beamtenapparat, sondern vor allem Pastoren und Superintendenten einzubeziehen. Mit der Einrichtung eines Sondergerichts bemühte er sich, die Prozesse am herzoglichen Hofgericht zu bündeln, was letztlich jedoch am Widerstand der Stände scheiterte. Gerade die direkte Beauftragung von Theologen und Juristen mit der seelsorgerischen Begleitung und praktischen Durchführung von Prozessen führte schließlich auch zu einer differenzierten Haltung zum crimen magiae. In den frühen achtziger Jahren wurde daher das kumulative Konzept der Hexerei wieder verworfen. Die noch laufenden Verfahren wurden storniert und die Gefangenen nach teilweise langjährigen Haftstrafen entlassen. Gustav Adolf wurde damit der Vorreiter bei der Beendigung der Hexenverfolgung in Mecklenburg.

Gänzlich anders vollzog sich die Entwicklung in Mecklenburg-Schwerin. Herzog Christian Louis (1658-1692) befürwortete zwar schon Ende der siebziger Jahren die Einschränkung von Hexenprozessen, konnte sich jedoch aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit nicht durchsetzen. Ausgeübt wurde durch seinen Vizekanzler Hans Heinrich Wedemann sowie den Kanzleirat Alexander Kirchberg eine Urteilspraxis, die dazu im krassen Gegensatz stand. In einer für Mecklenburg eher untypischen Form wurde nicht nur auf eine Prozeßführung im Form des processus extraordinarius hingewirkt, sondern auch einer wirkungsvollen Kontrolle der örtlichen Gerichtsorgane entgegengesteuert. Unter ihrer Oberaufsicht endeten die meisten Prozesse in fast stereotyper Weise mit dem Todesurteil. Dies änderte sich auch nach der Absetzung der beiden Beamten nicht. Offensichtlich war die Rolle der Schweriner Justizkanzlei im Land bekannt, so daß in einzelnen Appellationsverfahren versucht wurde, die Kanzlei zu umgehen und einen Prozess am Parchimer Hofgericht zu erwirken. Noch in den neunziger Jahren kam es in Mecklenburg-Schwerin zu kleineren Kettenprozessen. Erst auf das Jahr 1700 datieren die letzten beiden Anklagen, an deren Ende das Todesurteil stand.
Ein offizielles Ende der Hexenverfolgung per Dekret gab es offensichtlich in keinem der beiden Herzogtümer.
Obwohl zunehmend eine kritische Haltung bei der Führung von Hexenprozessen eingenommen wurde, versickerten die schließlich nur noch in der Form von Injurienprozessen geführten Prozesse erst ganz allmählich. 21